(OLG Brandenburg Beschl. v. 20.03.2014)
In einer Anfang dieses Jahres getroffenen Entscheidung des OLG Brandenburg ging es um die Echtheit eines durch einen Alkoholkranken verfassten Testaments. Ebenfalls Gegenstand des Streits war die Testierfähigkeit des Erblassers, welche die gesetzliche Erbin desselben aufgrund dessen Alkoholkrankheit anzweifelte.
Kriterien für die Echtheit eines Testaments
In dem Beschluss des OLG Brandenburg werden nochmals einleuchtend die Prüfungskriterien für die Echtheit eines Testaments dargestellt. Da die Schreibweise des Verfassers beispielsweise von der Schreibposition, dem Alter und dem Gemütszustand beeinflusst wird, kann die Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie sicher festgestellt werden. Es besteht immer die Möglichkeit einer Fälschung. Das OLG Brandenburg weist in diesem Zusammenhang auf die zutreffende obergerichtliche Rechtsprechung hin, dass ein Testament grundsätzlich als echt anzusehen ist, wenn ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt, vorliegt.
In dem durch das OLG Brandenburg zu entscheidenden Sachverhalt gelangte der sachverständige Gutachter zu der Einschätzung, es bestehe insoweit mit an Sicherheit grenzender großer Wahrscheinlichkeit Urheberidentität. Unter anderem seien keinerlei Hinweise für Fälschungen vorhanden, denn es hätten sich weder Vorzeichnungsspuren, Ablagerungen von Pausmitteln, Korrekturen, Haltepunkteansatzstellen oder ähnliches gefunden. Zudem sei eine gleichartige dynamische und zügige Schreibbewegung mit gleichbleibendem Schreibrhythmus, -straffheit und Formgestaltung besonders in den Unterschriften feststellbar gewesen.
Auch eine teilweise abweichende Schreibweise innerhalb der Urkunde bzw. auf anderen Schriftstücken des Erblassers habe daher keine vernünftigen Zweifel an der Echtheit des Testaments aufkommen lassen.
Dieser Einschätzung des Gutachters folgte das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung.
Testierunfähigkeit des Erblassers
Eine weitere durch die gesetzliche Erbin ins Feld geführte Argumentation war die Testierunfähigkeit des Erblassers aufgrund allseits bekannter und auch unstreitiger Alkoholerkrankung über Jahrzehnte.
Hier gilt der Grundsatz, dass allein der Umstand einer Alkoholerkrankung nicht die fortwährende Testierunfähigkeit des Verfassers einer letztwilligen Verfügung impliziert. Vielmehr ist entscheidend, in welchem geistigen Zustand sich der Erblasser befand, als er das Testament verfasste.
Von einer Testierunfähigkeit im Sinne des § 2229 IV BGB wird ausgegangen, wenn der Verfasser wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Maßgebend ist die Fähigkeit des Testierenden, die Bedeutung einer letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Willensentschließung von eigenständigen Erwägungen leiten zu lassen (u. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.06.2012, FamRZ 2013, 159). Die Beweis- und Feststellungslast für die Testierunfähigkeit eines Erblassers trifft immer denjenigen, der sich hierauf beruft. Existiert also ein Testament muss derjenige, der der Ansicht ist, dass dieses Testament aufgrund Testierunfähigkeit unwirksam ist, eine solche vor Gericht beweisen.
Beweisführung durch Sachverständigen
Die Beweisführung erfolgt dabei in der Regel durch Sachverständigengutachten. Problematisch ist hier, dass der Erblasser für Untersuchungen nicht mehr zur Verfügung steht. Dies schon gar nicht bezogen auf den Zeitpunkt, als er das Testament verfasste.
Es müssen letztendlich sehr konkrete Hinweise dafür vorhanden sein, dass sich der Verfasser des Testaments bei Errichtung desselben in einem Zustand befand, in dem er die für die Verfassung eines Testaments notwendige Einsichtsfähigkeit nicht hatte. Dies ist beispielsweise möglich, wenn der Erblasser sich im entscheidenden Zeitpunkt im alkoholbedingten Delirium befand oder an einer Demenzerkrankung ohne sogenannte „lichte Momente“ litt.
Das OLG Brandenburg, bzw. der bestellte Sachverständige, kamen in dem vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Arztberichte aus dem Jahr der Testamentsverfassung nicht dazu ausreichten, von einer allgemeinen Testierunfähigkeit des Erblassers auszugehen.
Begründet wurde diese Sichtweise damit, dass die Kritik-, Urteils- und Handlungsfähigkeit bei dem Grad der Alkoholerkrankung, die der Erblasser aufwies, lediglich in den Phasen der akuten Alkoholintoxikation eingetreten und nicht im Allgemeinen eingetrübt gewesen seien.
Weiteres Indiz für eine grundsätzlich bestehende Einsichtsfähigkeit sei das Schriftbild des Testaments gewesen.
Fazit:
Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist insgesamt vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtsprechung und soweit sie aus den Veröffentlichungen beurteilt werden kann, als richtig einzustufen. Graphologische Untersuchungen sind nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht dazu geeignet, die Echtheit eines Dokuments zu 100% zu garantieren. Insoweit keine Fälschungsspuren vorhanden sind und die Identität des Verfassers mit an Sicherheit grenzender großer Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, muss grundsätzlich von einer Echtheit ausgegangen werden. Auch eine Alkoholsuchterkrankung alleine kann nicht dazu führen, dass die betroffenen Personen von der Regelung ihres Nachlasses ausgeschlossen werden. Anders muss es jedoch sein, wenn die Testierunfähigkeit zum Moment der Testamentsabfassung nachgewiesen werden kann.